Alles ist möglich (Dieter Perret)
Morgenandacht CiW-Tagung Holzhausen 31.05.2019
Ist heute alles möglich?!
2009 lautete die Jahreslosung:
„Was bei Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich“, Luk. 18,27
Als ich Anfang Mai in einer Fernsehsendung Ausführun-gen von Ranga Yogeshwar hörte und sein Buch
„Nächste Ausfahrt Zukunft“ las, dachte ich, dieses Bibelwort passt so gar nicht mehr in unsere heutige Zeit.
Yogeshwar schildert, wie die digitale Revolution, die Fortschritte in der Gentechnik oder die Entwicklung der künstlichen Intelligenz fundamental in unser Leben ein-greifen. Inzwischen – so schreibt er – sind wir als Men-schen bereits steuerbar in unserem Verhalten. D. h. ich kann gar nicht mehr sicher sein, ob ich wirklich den tollen Pullover von mir aus möchte, oder ob es mir von anderer Seite schmackhaft gemacht wurde. Wir wer-den also demnächst nicht mehr sagen: „Ich möchte…“, sondern „Ich werde gemöchtet!“
Wir können heute noch gar nicht absehen, was alles noch menschenmöglich ist.
Oft werden auch Worte der Bibel verwendet, um mög-licherweise auch die Christen besonders anzusprechen. Die Werbung, z. B. in der Automobilindustrie, schleicht sich gerne in unser Innerstes mit Bibelzitaten ein.
Ich habe den Slogan noch im Ohr:
„Nichts ist unmöglich – Toyota“.
Oder: „Betet mich an“ war auf einem Werbeplakat zu lesen. Ein typischer Hingucker, wie die Werbefachleute sagen. Nun war natürlich nicht Gott gemeint, sondern die Sonne. Anbetung funktioniert am besten, in dem ich mir ein Cabriolet von Opel kaufe.
VW lässt einen etwas übergewichtigen Hippie über die Frage meditieren:
„Woher komme ich, wohin gehe ich? Und warum weiß mein Golf die Antwort?
Weil er ein satellitengeschütztes Navigationssystem hat!“
Wenn wir die Jahreslosung in seiner Bedeutung verste-hen wollen, müssen wir den ganzen Bibelabschnitt be-denken. Worum geht es Jesus mit dieser Aussage?
Es geht in diesem Bericht aus Luk. 18, 18-30 um einen reichen Synagogenvorsteher, der versucht hatte, ein Leben nach den Geboten Gottes zu führen. Eine Frage beschäftigte ihn noch:
„Was muss ich tun, um das ewige Leben zum Erbe zu erhalten‘?“
Jesus antworte ihm auf seine Weise, indem er ihn da-rauf hinweist, dass er die Gebote einzuhalten habe und zitiert fünf der zehn Gebote, die die zwischenmenschli-chen Beziehungen und das Verhalten gegenüber den Mitmenschen betreffen.
Der Vorsteher sagte, dass er die Gebote gehalten habe, doch fehle ihm noch etwas. Darauf Jesus: „Ja, etwas fehlt dir noch: Verkaufe alles, was du hast und verteile den Erlös unter die Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben. Und dann komm und folge mir nach“.
Das war hart! Mit dieser Antwort hatte er offensichtlich nicht gerechnet. Er zog traurig davon, denn er war sehr reich. – Und nun sollte er alles abgeben? Wozu? Für eine Vertröstung auf das Jenseits?
Wie Jesus ihn so sah, sagte er zu den Jüngern: „Wie schwer ist es doch für einen Begüterten in das Reich Gottes zu kommen. Es ist leichter für ein Kamel durch ein Nadelöhr zu kommen, als für einen Reichen in das Reich Gottes“.
Diese Aussage löste bei den Jüngern Entsetzen aus. Wenn das stimmen sollte, wer könnte dann noch selig werden?
Darauf sagt Jesus:
„Was bei den Menschen unmöglich ist, das ist bei Gott möglich!“
Nun könnte man den Eindruck gewinnen, dass Jesus et-was gegen reiche Menschen hätte. Im Gegenteil:
Wenn wir z. B. an Zachäus, einer der reichsten Männer in Jericho oder an Josef von Arimathia denken, wird deutlich, dass die Reichen keineswegs vom Reich Got-tes ausgeschlossen sind.
Das Problem ist nur: Reichtum wirkt sich vor allem in dreierlei Hinsicht aus:
1. Wer vermögend ist, steht in der Gefahr zu glauben, er könne mit Geld alles schaffen und sich möglich-erweise von jedem Kummer freikaufen. Das kann dazu führen, dass er der festen Meinung ist, ganz gut ohne Gott mit dem Leben fertig zu werden.
2. Reichtum fesselt den Menschen an diese Welt. Wenn der Mensch nur irdische Wünsche hat, wird er nie an das Zukünftige denken. Über dem Sicht-baren vergessen sie das Unsichtbare, über dem Zeitlichen das Ewige.
3. Je mehr der Mensch hat, desto mehr möchte er besitzen. Hinzu kommt eine panische Angst, man könne etwas vom Besitz verlieren. Statt der Im-pulse, etwas abzugeben und etwas zu verschenken an Menschen, die in Not geraten sind, klammern sie sich immer mehr an ihren Besitz. Reichtum ver-mehrt die Gefahr, dass diese Menschen vergessen:
Was sie behalten, werden sie verlieren; was sie verschenken, werden sie gewinnen!
Vielleicht kann dieses Wort aus Luk. 18 doch ein Hoffnungswort für uns sein. Gerade in dieser Umbruch-phase, wo der Fortschritt uns zu überrumpeln scheint, brauchen wir Zielklarheit und Zuversicht. Ich möchte nicht dem Irrtum verfallen zu glauben, dass ohne Gottes Willen Dinge geschehen, die unsere Welt so ver-ändern, dass wir hier nicht mehr leben können.
Vielleicht ergeben sich in diesen Tagen Gelegenheiten, uns gegenseitig zu ermuntern, unseren Lebensstil zu hinterfragen und evtl. auf Dinge zu verzichten, die unser Herz gefangen nehmen und an die Stelle Gottes treten. Nur mit seiner Hilfe bekommen wir neue Kraft und Energie für die Reise durch die letzten Jahre unse-res Lebens.
Gebet:
Lieber himmlischer Vater,
wir müssen mit Sorge zur Kenntnis nehmen, wie sich unsere Welt und wir Menschen uns verändern. Wir sind verunsichert, weil wir nicht mehr absehen können, wohin diese radikalen Umbrüche noch führen und wie sie unser Leben beeinflussen. Wir möchten nicht fremdbestimmt sein. Wir möchten den Weg an deiner Seite gehen, weil wir dann sicher sind, dass nur dieser Weg zum Ziel, – zu dir führt.
Du hast uns zugesagt, bei uns zu sein bis an der Welt Ende. Du weißt, dass wir aber immer wieder eigene Wege gehen wollen. Wir bitten dich, präge uns neu ein, wie sehr du uns liebst und uns über Tiefpunkte hinweg-trägst. Lass uns aus der Fülle der Stimmen, die auf uns eindringen, deine Stimme heraushören.
Gehe du mit uns in diesen neuen Tag.
Amen.
Gehalten von Dieter Perret